Der queere Farbbalken
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Leitfaden zur Anzeige von Hassgewalt

Projekt 100% MENSCH

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Queerfeindlichkeit betrifft uns alle

Im Jahr 2024 gab es laut der Statistik des Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) in Deutschland insgesamt 2.917 Straftaten, die aus Homo-, Bi-, Trans- und Interfeindlichkeit verübt wurden.

465 davon waren Gewalttaten.

1.152 Straftaten fielen in das Themenfeld “Geschlechtsbezogene Diversität” – eine Steigerung von 8,2 % im Vergleich zu 2023.

1.765 Übergriffe betrafen das Themenfeld “sexuelle Orientierung”, eine Steigerung um 13,4 %.
Diese Straftaten zählen zur Hasskriminalität.

Ein Großteil der Straftaten wird jedoch nicht angezeigt. Die Dunkelziffer liegt bei über 80%.

Auf dieser Seite möchten wir Dir einen kurzen Leitfaden an die Hand geben, was Du tun kannst, wenn Du von einer homo-, bi-, trans- oder interfeindlichen Straftat betroffen bist oder Zeug*in einer solchen wirst.

Quelle: Fact Sheet – Bundesweite Fallzahlen 2024 Politisch motivierte Kriminalität, Bundesministerium des Innern, Mai 2025

13% der LSBTIAQ+
sind von Hassgewalt betroffen.
83% erstatten keine Anzeige.

Quelle: LGBTIQ equality at a crossroads – Progress and challenges, European Union Agency for Fundamental Rights, 2024

Was ist Hasskriminalität?

Wenn der Grund für eine Straftat auf der Abneigung, dem Hass gegenüber einer bestimmten Gruppe (z.B. queere Menschen) beruht – die betroffene Person also stellvertretend für diese Gruppe angegriffen wird – handelt es sich um „Politisch Motivierte Kriminalität“ (PMK). Diese wird auch Hasskriminalität genannt.
Wenn Anzeichen für PMK vorliegen, muss die Polizei dies dem zuständigen Staatsschutz melden, damit dieser die notwendigen Ermittlungen einleiten kann. Die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt führen über die begangenen Straftaten eine Statistik.

Das Bundesinnenministerium betrachtet politisch motivierte Straftaten als „besondere Bedrohung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Daher wird politisch motivierte Kriminalität wegen ihrer
besonderen Schwere härter bestraft und gesondert in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) aufgeführt.

Bei homo-, bi-, trans- und interfeindlichen Motiven (sogenannte „sonstige menschenverachtende Beweggründe“) besteht laut RiStBV ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung der Straftat!

RiStBV: Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren

Warum anzeigen?

Betroffene von Hasskriminalität leiden deutlich häufiger an Depressionen, Stress und einer niedrigeren Lebenszufriedenheit! Dein psychisches und emotionales Wohlbefinden leidet!

Werde aktiv und wehre Dich gegen die Täter*innen!

Eine Anzeige kann Dir bei der Verarbeitung helfen!

Es erfolgt die Strafverfolgung, die mit einer Verurteilung enden kann. In manchen Fällen steht Dir auch Schmerzensgeld zu.

Jede Anzeige landet in den Statistiken. Diese können den notwendigen politischen Druck erzeugen, um die Situation von LSBTIQ* zu verbessern. Was nicht in den Statistiken landet, existiert für die Politik häufig nicht!

  • Der Druck kann z.B. Folgendes bewirken:
    Ausbau von Schutz- und Präventionsmaßnahmen
  • Ausbau der Antidiskriminierungsarbeit in der
    Aus- und Fortbildung der Polizei
  • Ausbau der Antidiskriminierungsarbeit in Behörden und in der Verwaltung
  • Erhöhung des rechtlichen Schutzes
  • Verstärkte Einrichtung von Ansprechpersonen bei Polizei, Justiz, Kommunen und Arbeitgeber*innen.

Die Zahlen steigen

Diagramm mit den Anzeigen von Straftaten bezogen auf die Sexuelle Orientierung 2001 - 2024
Diagramm der Anzeigen 2017-2024 bezogen auf sexuelle Orientierung und geschlechtliche Diversität

Quelle: veröffentlichte Zahlen des Bundesinnenministeriums 2001 – 2025

Die relativ konstante Zahl der gemeldeten Gewaltzahlen könnte dadurch erklärt werden, dass es keine Unterscheidung zwischen Online- und Offlinestraftaten in der Statistik gibt. Eine erhöhte Anzeigebereitschaft im Onlinebereich würde sich so bemerktbar machen. Wie schon erwähnt, werden nicht die realen Fälle ermittelt, sondern nur die Anzeigen gezählt. Das Dunkelfeld übertrifft diese Zahlen bei weitem.

Was kann ich anzeigen?

Achtung! Der folgende Abschnitt enthält explizite Benennungen und menschenfeindliche Ausdrücke

Wo kann ich anzeigen?

Um eine Straftat zur Anzeige zu bringen, kannst Du Dich an verschiedene Stellen wenden:

  1. Die nächste Polizeistation
  2. Online-Strafanzeige
  3. Bei der Staatsanwaltschaft
  4. Ein Rechtsbeistand kann für Dich eine Anzeige erstatten
  5. Schriftlich per Post bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat auf der Seite Hilfe-Info.de die veschiedenen Möglichkeiten erklärt.

Direkte Informationen zur Strafanzeige findest Du hier. 

Und wenn man mir nicht glaubt?

Sollte man Dir nicht glauben oder sogar abweisen, so wende Dich an einen Rechtsbeistand (Rechtsanwält*in) oder eine Hilfsorganisation. Diese erstatten dann für Dich Anzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft.
Notiere Dir den Namen der*des Polizeibediensten!

Viele Bundesländer haben bei der Polizei Ansprechpersonen für LSBTIQA* – diese sind speziell geschult und meist selbst Teil der Regenbogen-Communities.

Wenn Du das Gefühl hast, nicht respektvoll behandelt worden zu sein, so kannst Du Dich im zuständigen Polizeipräsidium beschweren! Das Polizeipräsidium hat die Aufsicht über die einzelnen Polizeireviere.

Wende Dich an eine Hilfseinrichtung in Deiner Stadt oder Deinem Bundesland. Wenn Du keine kennst, sprich mit einer LSBTIQA*-Organisation vor Ort.

Eine Liste mit Hilfsorganisationen findest Du unten auf dieser Seite.

Online-Anzeige

Es kann Gründe geben, warum Du nicht zur Polizei gehen möchtest, um eine Anzeige zu erstatten. Das heißt aber nicht, dass Du auf eine Anzeige verzichten musst. Du kannst die Anzeige auch online stellen!

online-strafanzeige.de

Von dieser zentralen Seite kommst Du auf die einzelnen Websites der verschiedenen Bundesländer. Such Dein Bundesland aus der Liste aus und folge dem Link.

Auf den Seiten musst Du einige Fragen beantworten. u.a.:

  • Welche Tat liegt vor? Du musst auswählen, um was für eine Tat es sich handelt – je nach Tat gibt es unterschiedliche Onlineformulare.
  • Zeugenbelehrung: Hier werden Dir Hinweise gegeben, was nach einer Anzeige passiert und alle Deine Angaben selbstverständlich der Wahrheit entsprechen müssen.
  • Personendaten: Hier musst Du Deine Daten eingeben. Außerdem werden hier oft schon einige Daten zum Tatzeitpunkt sowie zu möglichen Zeug*innen und Tatverdächtigen abgefragt.
  • Sachverhalt: Beschreiben, was passiert ist. Sei dabei möglichst genau. Wenn die Tat im Zusammenhang mit Deiner sexuellen Orientierung oder Deiner geschlechtlichen Identität steht, solltest Du dies unbedingt erwähnen!
  • Straftat benennen: z.B. Körperverletzung,
    Beleidigung, Erpressung oder Nötigung. Wenn Du Dir unsicher bist, kannst Du schreiben: „Alle in Frage kommenden Straftaten“.
  • Weiteres: Je nach Bundesland folgen noch weitere Fragen zu Dir und dem was passiert ist. Lass Dir beim Ausfüllen Zeit!

Leider unterscheiden sich die Formulare in den einzelnen Bundesländer voneinander und sind teilweise schwierig zu verstehen.

Wenn Du Schwierigkeiten hast, das Formular auszufüllen, wende Dich an eine lokale queere Organisation, Hilfsorganisationen gegen Gewalt oder bitte im Freund*innenkreis um Hilfe.

Was tun im Ernstfall?

  • Sprich die Angreifenden in der dritten Person („Sie“) an. Andere merken so, dass Du die Person nicht kennst.
  • Mach andere lautstark auf Deine Lage aufmerksam und bitte konkrete Personen um konkrete Hilfe! („Hey Du im roten T-Shirt, hilf mir bitte und ruf die Polizei!“).
  • Ruf bei unmittelbarer Gefahr laut um Hilfe.
  • Entziehe Dich den Täter*innen! Geh weg.
  • Verzichte auf Gegenwehr! Bringe Dich nicht in Gefahr!
  • Verzichte lieber auf Deinen Geldbeutel als auf Deine Gesundheit!
  • Rufe im Notfall (z.B. bei direkten Angriffen) die Polizei unter 110 an.
  • Sprich nach dem Vorfall mögliche Zeug*innen an.
  • Bei Onlinebedrohung, Erpressung, Verleumdung etc. erstatte die Anzeige nicht unmittelbar nach der Tat. Versuche, Dich zunächst zu beruhigen.
  • Fertige ein schriftliches Gedächtnisprotokoll über den Ablauf der Tat an.
  • Nimm eine Vertrauensperson zur Anzeigenerstattung bei der Polizei mit und frage dort nach der Ansprechperson für LSBTIQA*.
  • Notiere Dir das Aktenzeichen.

Prävention

  • Nimm Deine Gefühle und Instinkte ernst!
  • Reagiere sofort!
  • Gehe Gefahren aus dem Weg!
  • Halte bewusst Distanz!
  • Nutze queere Safer Spaces.
  • Verabrede Dich mit anderen und organisiert gemeinsam Eure An- und Abreisen.
  • Nimm beim Cruisen keine Wertsachen mit!
  • Wenn Du Dich über das Internet verabredest, mach einen Screenshot vom Profil des Kontaktes.
  • Wenn Du eine*n Fremde*n in Deine Wohnung mitnimmst, lass keine Wertsachen offen rumliegen.
  • Lass Dein Getränk auf Partys oder in Kneipen nicht unbeaufsichtigt.

Over- /Underpolicing

Die Polizei hat die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit zu schützen, Straftaten aufzuklären und die Grundrechte aller Menschen zu wahren. Ihr Handeln muss rechtmäßig, verhältnismäßig und frei von Diskriminierung sein.

Leider ist dies insbesondere bei marginalisierten Gruppen nicht immer der Fall – oft erleben diese Overpolicing und Underpolicing.

Overpolicing beschreibt eine verstärkte Überwachung und Präsenz z.B. bei Kundgebungen, anlasslose Kontrollen sowie die schnellere Anwendung von Gewalt.

Underpolicing meint, wenn die Polizei in Situationen, in denen marginalisierte Menschen Schutz brauchen – etwa bei rassistischer Gewalt, häuslicher Gewalt, Queerfeindlichkeit oder Diskriminierung – nicht oder unzureichend eingreift: Anzeigen werden nicht ernst genommen, Betroffene als Täter*innen behandelt, Ermittlungen eingestellt.

Racial Profiling

Racial Profiling bezeichnet eine polizeiliche Praxis, bei der Menschen allein aufgrund von äußerlichen Merkmalen wie Hautfarbe, vermeintlicher Herkunft, Name, Sprache, Kleidung oder Religion verdächtigt, kontrolliert oder überwacht werden. Nicht das konkrete Verhalten einer Person löst eine Kontrolle aus, sondern die Person an sich – und das ist rassistisch.

Obwohl Racial Profiling verboten ist (Art.3 Abs. 3 GG), zeigt die Studienlage, dass die Praxis weit verbreitet ist. Laut der Studie „Being black in the EU“ der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) haben 58% der Schwarzen Menschen in der EU im Vorjahr Polizeikontrollen erlebt, die sie als rassistisch empfunden haben. Weitere Untersuchungen des Instituts für Menschenrechte oder der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestätigen diese Situation.

Overpolicing, Underpolicing und Racial Profiling sind drei Seiten derselben Medaille – sie zeigen, wem in einer Gesellschaft Schutz gewährt wird, und wem nicht.

Ansprechpersonen bei der Polizei

Die hier gelisteten Ansprechpersonen sind auf den entsprechenden Seiten der Polizei öffentlich gelistet. Wir haben Euch die Arbeit ein bisschen erleichtert und diese zusammengeschrieben.

Hilfsorganisationen

In dieser Liste sammeln wir Organisationen, die Dich unterstützen können, wenn Du von Gewalt betroffen bist/warst. Bitte zögere nicht, Dir Hilfe zu holen!