Unsere queerpolitischen Forderungen 2024
Es gibt noch viel zu tun…
Trotz vieler Verbesserungen in der rechtlichen Lage, werden queere Menschen noch immer rechtlich und in ihrer Teilhabe benachteiligt. Und auch wenn wir Rechte zugesprochen bekommen, was eigentlich bisher fast immer hieß, dass wir sie per Bundesverfassungsgericht einklagen mussten, so zeigen die steigenden Zahlen der Hasskriminalität, dass Gesetze alleine noch keinen Schutz vor Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt sichern. Wir brauchen einen Wandel der Gesellschaft an sich. Vielfalt ist kein „nice2have“. Vielfalt ist Fakt. Und nur wenn wir an den Punkt gelangen, wo die Vielfalt von sexueller Orientierung, Geschlecht, Identität, gelesener Migrantisierung, körperlicher und psychischer Verfasstheit, Alter, sozialer/ökonomischer Herkunft, Weltanschauung und den vielen weiteren Ebenen der Unterschiedlichkeit nicht nur akzeptiert, sondern respektiert und als Grundwert einer demokratischen Gesellschaft anerkannt und gelebt werden, haben wir eine Chance auf eine freiheitliche, sichere und lebenswerte Gesellschaft für alle. Ein langer Weg – aber wir müssen anfangen und das Erreichte gegen den wachsenden Rechtsextremismus verteidigen.
Ergänzung des Grundgesetzes
Wir fordern dauerhafte oder zumindest mehrjährige institutionelle Förderungen von Organisationen, die sich für die Belange von queeren Menschen und somit für die Demokratieförderung einsetzen. Die derzeit übliche Form der Projektförderung ist nicht nachhaltig und muss durch Verstetigungen abgelöst werden.
Bundesaktionsplan
Wir fordern einen verbindlichen und finanziell gut ausgestatteten Aktionsplan der Bundesregierung zur Förderung der Akzeptanz der Vielfalt von sexueller/romantischer Orientierung und Geschlecht sowie zur Bekämpfung von struktureller und gesellschaftlicher Queerfeindlichkeit und Diskriminierung.
Demokratieförderung
Wir fordern dauerhafte oder zumindest mehrjährige institutionelle Förderungen von Organisationen, die sich für die Belange von queeren Menschen und somit für die Demokratieförderung einsetzen. Die derzeit übliche Form der Projektförderung ist nicht nachhaltig und muss durch Verstetigungen abgelöst werden.
Menschenrechte
Wir fordern die Bundes- und Landesregierungen auf, sich für die Einhaltung der Menschenrechte von queeren Personen einzusetzen – in Deutschland und weltweit.
Menschenrechte vor Wirtschaft
Wirtschaftliche Interessen haben hinter dem Schutz der Menschenrechte und der Umwelt zurückzustehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Innen- und Außenpolitik sowie die Entwicklungshilfe an der Einhaltung der Menschenrechte auszurichten. Sollten diese staatlich/gesellschaftlich nicht gewährleistet sein, soll die Unterstützung von Nicht-Regierungsorganisationen vor Ort (NGOs) zur Unterstützung und dem Schutz marginalisierten Gruppen im Zentrum stehen.
Mediale Repräsentation
Wir fordern eine stärkere und vielfältigere Repräsentation queerer Lebensweisen in den Medien (vor und hinter den Kulissen), sowie die stereotypenarme Darstellung queerer Menschen und anderer marginalisierter Gruppen in der Berichterstattung.
Mitbestimmung
Wir fordern die Einbeziehung der queeren Communities bei der Besetzung aller Rundfunkräte, im Ethikrat sowie in weiteren Fachgremien, welche gesellschaftspolitische Prozesse fachlich und kritisch begleiten oder dem Bildungsauftrag des Bundes nachkommen.
Ursachen angehen
Wir fordern, neben der Förderung der diskrimierungskritischen Arbeit und Unterstützung marginalisierter Gruppen, zusätzlich verstärkt auch Projekte, welche Machtstrukturen, Sexismus, (toxische) Männlichkeit, Männlichkeitsbilder und männliche Verletzlichkeit bearbeiten, zu fördern. Es reicht nicht aus, Betroffene zu unterstützen – die Ursachen müssen aufgelöst werden.
Erinnerungskultur verankern
Wir fordern die aktive Förderung der Erinnerungskultur (z. B. der HIV-Katastrophe) und die Aufarbeitung von LSBTIQA+-Verfolgung durch Politik, Polizei/Justiz, Religionsgemeinschaften und Gesellschaft (z. B. Kindesentzug bei lesbischen Müttern).
Medizinische Behandlungen
Medizinische Behandlungen des körperangleichenden Maßnahmenspektrums sollen barrierearm für trans Personen und nicht-binäre Menschen verpflichtend von den Krankenkassen übernommen werden.
Medizinische Versorgung stärken
Wir fordern die medizinische Versorgung von trans und nicht-binären Menschen insbesondere auch im ländlichen Raum zu stärken. Ebenso fordern wir den Ausbau queerfreundlicher medizinischer Versorgung, wie. z. B. in Rehabilitation, Gynäkologie und psychiatrischen Einrichtungen.
Nicht-binärer Personenstand
Wir fordern die Ergänzung und einfache Zugänglichmachung eines positiven Personenstandseintrags für nicht-binäre Personen neben „männlich“ und „weiblich“. Wie dieser lauten soll, muss die Community der nicht-binären Menschen entscheiden.
Namenänderung ab 14 Jahren
Wir fordern die Bundesregierung auf, eine bürokratiearme Namensänderung bei Jugendlichen ab 14 Jahren zu ermöglichen. Diese Namensänderung soll insbesondere auch für den Schulbetrieb (Zeugnisse etc.) gelten.
Offenbarungsverbot stärken
Wir fordern, das Offenbarungsverbot zu stärken und die unbefugte Informationsweitergabe über zugewiesenes Geschlecht, abgelegten Namen und weitere, die Identität einer Person betreffende Daten, strafbewehrt zu verbieten.
Streichung des Geschlechts
Wir fordern die Streichung der Nennung des Geschlechts (auch elektronisch) auf Reisedokumenten (u.a. Reisepass, Flugtickets etc.).
Geschlechtergerechte Sprache
Wir fordern einen gendersensiblen Umgang mit Sprache, welcher die Vielfalt von Geschlecht berücksichtigt und sichtbar macht. Wir fordern, die sogenannten „Gendersprachverbote“ zurückzunehmen.
Geschlechtergerechte Formulare
Wir fordern die konsequente Ergänzung von Formularen der Verwaltung um die Personenstände „divers“ und „keine Angabe“ sowie der Anrede-Möglichkeit „geschlechtsneutrale/keine Anrede“ zusätzlich zu „Herr“ und „Frau“. Wir fordern die Politik auf, Wirtschaft und Gesellschaft in dieser Richtung positiv zu unterstützen.
Polizeiliche Statistiken
Wir fordern die gesonderte Ausweisung von queer- und transfeindlicher Gewalt in den polizeilichen Statistiken in allen Ländern und auf Bundesebene.
Haltung staatlicher Organe
Wir fordern unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen von menschenfeindlichen (insbesondere rassistischen, sexistischen/misogynen und queerfeindlichen) Haltungen in Bundeswehr, Polizei, Justiz und allen weiteren Behörden. Ebenso fordern wir eine unabhängige Studie zu „Racial Profiling bei der Polizei“.
Unabhängige Anlaufstellen
Wir fordern die Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen zur Meldung von Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen durch Polizei- und andere Behördenbedienstete. Diese Stelle muss mit einer wirksamen Möglichkeit der Einleitung von Strafverfolgung ausgestattet sein. Wir schließen uns somit der Forderung des Deutschen Institutes für Menschenrechte an.
Elternschaft anerkennen
Wir fordern eine barrierearme Anerkennung der Elternschaft, unabhängig von Geschlecht und Beziehungsstatus zwischen der gebärenden Person und der weiteren anerkennenden Person(en) bereits in der Geburtsurkunde. Ebenso fordern wir das Adoptions- und Stiefkindadoptionsverfahren zu vereinfachen.
Abstammungsrecht reformieren
Wir fordern die zeitnahe Reform des Abstammungsrechtes, so dass trans Personen nicht mehr mit ihrem nach der Geburt zugewiesenen Geschlecht und ihrem abgelegten Namen in die Geburtsurkunde ihres leiblichen Kindes eingetragen werden. Dies beinhaltet zudem die Forderung nach einer grundsätzlichen Eintragung der Eltern als „Elternteile“.
Verantwortungs- gemeinschaften
Wir fordern über die Ehe hinaus die rechtliche Anerkennung von Verantwortungsgemeinschaften von zwei und mehr Personen sowie der Elternschaft von mehr als zwei Personen.
Genitale Selbstbestimmung
Wir fordern die Garantie der körperlichen Unversehrtheit aller nicht-zustimmungsfähigen Personen unabhängig von der Form ihrer Genitalien und ihrem nach der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Eingriffe an den Genitalien dürfen ausschließlich aus schwerwiegenden medizinischen Gründen erfolgen und müssen nachhaltig und zentral dokumentiert werden. Die Dokumente sind der betroffenen Person auf Verlangen auszuhändigen und die Möglichkeit der verjährungsfreien Klage zu eröffnen.
Sexualisierte Gewalt benennen
Wir fordern die Bundesregierung auf, geschlechterübergreifend aktiv gegen sexualisierte Gewalt vorzugehen. Dies umfasst insbesondere die Ausweisung in Statistiken, Beauftragung von Studien, Ausbau und Verstetigung von Beratungsstellen und Präventionsangeboten sowie die Aufnahme in Bildungs-, Lehr- und Ausbildungspläne.
Bildungspolitik
Wir fordern eine aktive und wertschätzende Aufklärungs- und Bildungspolitik sowie die Verankerung der Themen “Vielfalt von romantischer und sexueller Orientierung und Geschlecht” als verpflichtenden Bestandteil der Lehr- bzw. Bildungspläne in allen Bundesländern. Analog fordern wir die verpflichtende Aufnahme in die Lehrpläne der Aus- und Weiterbildung für den Bereich von Schule und Kita, insbesondere von Erzieher*innen, Lehramtstudierenden (Grund- und Förderschule bis Sekundarstufe II sowie Berufsschulen) und mindestens in die Studien der Sozialpädagogik/Sozialen Arbeit.
Diskriminierungsarme Arbeit
Wir fordern Arbeitgeber*innen auf, sämtlichen Diskriminierungsformen am Arbeitsplatz aktiv entgegenzuwirken und das Bewusstsein für die Vielfalt von romantischer/sexueller Orientierung und Geschlecht im Beruf zu fördern. Ebenso fordern wir die Auflösung struktureller Benachteiligungen im Arbeitsleben wie z.B. der gender pay gap, „gläserne Decken“ und andere.
Fortbildungen
Wir fordern die Verbesserung der Fortbildungsmöglichkeiten zur Bekämpfung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Wir fordern die Politik auf, Wirtschaft und Gesellschaft, Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen der Kinder- und Jugendfürsorge, Berufe der medizinischen Versorgung und Pflege, der Bildungsarbeit sowie Führungskräfte zur regelmäßigen Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen zu ermutigen. Wir fordern die Bundesregierung entsprechende Fortbildungen in Justiz, Polizeibehörden, Bundeswehr und Verwaltung als verpflichtende Weiterbildung festzuschreiben.
Diversität am Arbeitsmarkt
Wir fordern die Bundesregierung auf, Arbeitgeber*innen zu ermutigen, bei der Besetzung von Stellen auf eine möglichst große Diversität zu achten.
Respekt für Ältere
Wir fordern, die Einbeziehung von älteren queeren Personen in politischen Interessenvertretungen von Senior*innen sicherzustellen, ihren besonderen Bedürfnissen und Bedarfen in Betreuung und Pflege Rechnung zu tragen sowie spezielle Wohnformen für ältere LSBTIQA+-Personen zu fördern.
Geflüchtete schützen
Wir fordern eine menschenwürdige Behandlung und sichere Unterbringung von LSBTIQA+-Geflüchteten sowie eine bedarfsgerechte Finanzierung von Beratungs-, Wohn- und Hilfsangeboten. Wir fordern die Einhaltung der Menschenrechte auch für Geflüchtete in Asylunterkünften. Dies betrifft insbesondere das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Sichere Herkunftsländer
Wir fordern bei der Qualifizierung als „sicheres Herkunftsland“ die rechtliche und gesellschaftliche Verfolgungslage von LSBTIQA+-Personen maßgeblich mit einzubeziehen. Wir verweisen auf das Bundesverfassungsgericht, das schon 1996 als Bedingung für eine Einstufung als „sicheres Herkunftsland“ festlegte, dass in ihm „Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen“ muss. Wir fordern eine Überprüfung aller als „sicher“ eingestuften Länder unter diesem Aspekt.
Jugendarbeit ländlicher Raum
Wir fordern, die Mittel der Jugendarbeit für LSBTIQA+-Personen, insbesondere im ländlichen Raum, stetig den Erfordernissen anzupassen. Wir fordern den Ausbau von peer-to-peer Angeboten für Aufklärungsarbeit an Schulen.
Religiöse Diskriminierung stoppen
Wir fordern eine konsequente Verfolgung und Sanktionierung religiös motivierter Menschenfeindlichkeit und struktureller Diskriminierung. Wir fordern die Abschaffung von Sonderrechten im Arbeitsrecht für Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die diesen den Ausschluss von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts, ihres Beziehungsstatus oder anderer privater Merkmale ermöglicht. Wir fordern die Umsetzung der grundgesetzlichen Forderung nach einer Beendigung der Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften.
Konversionversuche ächten
Wir fordern die Ächtung sogenannter „Konversionsversuche“ auch bei Erwachsenen.