Materialschmiede frühkindliche Bildung
Unser Auftrag
Seit 2022 arbeiten wir im Auftrag der Stadt Stuttgart an der „Materialschmiede frühkindliche Bildung“. Aufgabe der Materialschmiede ist es, diversitätssensibles Bildungsmaterial für die Stuttgarter KiTas zu empfehlen sowie neues Material zu entwickeln, das allen Stuttgarter KiTas dauerhaft zur Verfügung gestellt wird. Dabei arbeiten wir eng mit der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart, sowie mit der Jugendhilfeplanung des Jugendamts Stuttgart zusammen.
Wir recherchieren und evaluieren bereits vorhandene Materialien – Kinderbücher, Spielpuppen, Methoden, Spielzeug –, die unterschiedliche Dimensionen von Vielfalt abdecken. Dazu gehören zum Beispiel die Themenkomplexe Körper/Geschlecht und sexuelle Orientierung, vielfältige Familienformen, sozioökonomische Ressourcen, die Repräsentation von BIPoC-Personen, Menschen mit Be-hinderung(en), neurodiverse Menschen sowie Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, mit unterschiedlichen Religionen oder Weltanschauungen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass gesellschaftliche Machtverhältnisse hinterfragt werden und Geschlechterkonstruktionen und -stereotype aufgebrochen werden.
Außerdem entwickeln wir eigene diversitätssensible Methoden und Lernplakate zum Beispiel zu vielfältigen Familienkonstellationen, Berufen und Freizeitaktivitäten. Dabei achten wir ebenfalls auf die Abbildung möglichst vieler Vielfaltsdimensionen.
Warum braucht es eine Materialschmiede frühkindliche Bildung?
Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung (VBuE, Anti-Bias-Ansatz) ist der Schlüssel zu Akzeptanz und einer diskriminierungsarmen Gesellschaft. Diesem Konsens zum Trotz sind Lehr- und Bildungsmaterialien, die Vielfalt von Familie und Beziehung, Geschlecht und Geschlechterrollen, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft, Behinderung u.a.m. altersgerecht aufgreifen und vermitteln, noch immer Mangelware. Zwar sind mittlerweile zahlreiche Kinderbücher, Spiele, Spielzeuge, Puppen, Spielfiguren und Methoden erhältlich – scheinbar erhalten diese nur wenig Einzug in die Kitas.
Lehrkräfte und Erzieher*innen, die durch die Bildungspläne (BTV) und den Orientierungsplan aufgefordert sind, diese sensiblen Themen in der Schule und in den Kitas zu vermitteln, haben oft keine adäquaten und ausreichenden Materialien zur Verfügung. Dies führt dazu, dass diese Themen häufig nur von wenigen engagierten Erzieher*innen aus eigenem Antrieb, weil ein konkreter Fall vorliegt oder auf Druck von Eltern an den Einrichtungen bearbeitet werden und diese dabei teilweise gegen Widerstände von Kolleg*innen, Vorgesetzen und Eltern ankämpfen müssen. Gleichzeitig ist auch die Situation von Kindern mit geschlechterrollenuntypischem (gender non- conforming kids) Verhalten oder auch von Regenbogenfamilien in Kitas häufig schwierig und muss verbessert werden.
Das Projekt 100% MENSCH hat es sich mit der durch den Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart geförderten „Materialschmiede frühkindliche Bildung“ zur Aufgabe gemacht, entsprechende Bildungsmaterialien zu recherchieren, zu evaluieren, selbst zu erstellen und verfügbar zu machen.
Die Aufgabe de Materialschmiede
Recherche, Sichtung, Bewertung, Überarbeitung und Neuentwicklung von Materialien zur frühkindlichen Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt, Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit in Stuttgart durch das Projekt 100% MENSCH. Diese Materialien umfassen insbesondere: Lernplakate, Spiele, Spielzeug, Kinderbücher, Lieder, Methoden, Bildergeschichten, Literaturlisten u.a. sowie entsprechende Handreichungen für den Einsatz der Materialien für die Erzieher*innen. Die erarbeiteten Materialien und Materiallisten sollen flächendeckend allen Kitas in Stuttgart zur Verfügung stehen. Hierbei wird eine Dauerverfügbarkeit an den jeweiligen Kitas angestrebt, um die Thematik kontinuierlich in den Erziehungsalltag einfließen lassen zu können und diese nicht nur „projektmäßig“ behandelt wird.
Kinderbücherliste Materialschmiede
Im Zuge unserer „Materialschmiede frühkindliche Bildung“ haben wir viele, viele Kinderbücher bestellt, gelesen und bewertet. Die Auswahl der Bücher erfolgte aufgrund bereits vorhandener Empfehlungslisten und ausführlicher eigener Recherche. Es stellte sich heraus, dass einige der Bücher, die oft empfohlen werden, bei näherer Betrachtung doch problematische Aspekte enthielten und nicht uneingeschränkt empfohlen werden können.
Die Bücher auf unserer Liste sind thematisch geordnet und decken folgende Bereiche ab:
- Kinderbücher mit BIPoC-Hauptfiguren
- Kinderbücher zum Thema vielfältige Familienmodelle / sexuelle Orientierung
- Kinderbücher mit nicht-binären Hauptfiguren
- Kinderbücher mit intergeschlechtlichen Hauptfiguren
- Kinderbücher zum Thema Geschlecht / Körper / Identität
- Kinderbücher zum Thema Babys / Schwangerschaft
- Kinderbücher zum Thema gesellschaftliche Machtverhältnisse
- Kinderbücher mit trans Hauptfiguren
- Kinderbücher zum Thema Aufbrechen / Hinterfragen von Geschlechterkonstruktionen
- Kinderbücher mit Fokus auf Mädchen-Empowerment
- Kinderbücher zum Thema Behinderung / psychische Gesundheit / Neurodiversität
- Kinderbücher zum Thema Armut / ökonomische Ressourcen / Wohnungslosigkeit
Zu jedem Buch findet Ihr zusätzlich eine Inhaltsbeschreibung sowie eine Bewertung des Projekts 100% MENSCH. Die Liste wird beständig erweitert!
Umfrage zur Situation an den Stuttgarter KiTAs
Um die Bedarfe der Stuttgarter KiTas in Bezug auf Lernmaterialien, Wissensstand und Fortbildungen zu den verschiedenen Vielfaltsdimensionen zu ermitteln, haben wir von August bis Oktober 2022 eine Online-Befragung durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass vor allem die Themenfelder Rassismus, sexuelle Orientierung, sozioökonomische Ressourcen, vielfältige Familienformen und Behinderung unterrepräsentiert sind, sowohl, was die Ausstattung mit Materialien wie auch den Wissensstand zu diesen Themen sowie die Bereitschaft, sich dazu fortzubilden, betrifft. Fast alle Themenbereiche wurden von den Teilnehmenden als wichtig erachtet; gleichzeitig werden insbesondere die Themen Rassismus, sexuelle Orientierung, vielfältige Familienformen und sozioökonomische Ressourcen fast nie in den KiTas behandelt. Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass Materialien zur frühkindlichen Vielfaltsbildung nicht ausreichend in den KiTas vorhanden sind. Hier geht es also darum, bestehende Lücken zu schließen.